Silke Naun-Bates ist Gast von Marianne Hengl und Diana Foidl in „Stehaufmenschen“
Silke Naun-Bates: Keine Beine – na und?
Mit acht Jahren verliert Silke Naun-Bates ihre Beine bei einem Zugunglück. Sie hadert nie mit ihrem Schicksal und doch wird ihr von anderen Menschen vieles nicht zugetraut. Entmutigen lässt sie sich nie. Als Autorin möchte sie Mut machen und mitgeben, dass man auch stark ist, wenn man selbst glaubt, schwach zu sein.
Die Radiosendung zum Nachhören:
Als die achtjährige Silke einen kleinen Hund bekommt, ist sie überglücklich. Sie möchte ihn sofort ihren Freunden zeigen. Als sich Richie von der Leine losreißt und auf die Straße zuläuft, rennt sie ihm hinterher. Sie stürzt über Zuggleise und bleibt mit aufgeschlagenen Knien liegen. Das letzte, was sie hört, ist der Zuruf ihrer Schwester: „Achtung Silke, der Zug!“
Jahrzehnte liegen hinter diesem Vorfall. Heute vermisst sie ihre Beine genauso wenig wie damals direkt nach dem Unfall. Bereits als Achtjährige im Krankenbett ist sie es, die ihren Eltern gut zureden will – nicht umgekehrt: „Papa, ich muss dir etwas sagen, aber ist nicht schlimm, das schaffen wir schon“ ist einer der ersten Sätze, die sie zu ihrem Vater sagt.
„Ich war ja immer noch Silke“
Ausbremsen lässt sich Silke Naun-Bates nicht. Sie stellt sich selbst durch die Tatsache, dass ihr plötzlich etwas Wesentliches fehlt, nie in Frage: „Ich war ja immer noch Silke“, erinnert sie sich. Und doch erregt sie Aufmerksamkeit, wenn sie als Jugendliche auf den Händen in die Disco geht. Vieles wird ihr, wie bei so vielen Menschen mit Behinderung, nicht zugetraut, beispielsweise Partnerin oder Mutter zu sein.
Als die Beziehung zu ihrer ersten großen Liebe zerbricht, beginnt der Kampf um die gemeinsame Tochter. Dass sie als Mutter das Sorgerecht bekommt, ist damals alles andere als verständlich: „Ich konnte es einerseits verstehen, weil es von außen ja schwierig ist, sich das vorzustellen, wie ich das mache. Andererseits hab ich mir gedacht: Dann schaut es euch dann an! Setzt nicht so etwas in den Raum!“
„Woher nimmst du die Kraft?“
Es sollen noch viele Momente im Leben von Silke Naun-Bates kommen, in denen sie kämpfen muss. Zum Beispiel beruflich, als man ihr einreden will, dass sie nicht als Streetworkerin arbeiten kann. Und es kommen Momente, in denen sie am Ende ihrer Kräfte ist. Als ihre geliebte Schwester und zwei gute Freundinnen relativ schnell hintereinander sterben, stürzt sie in eine tiefe Depression. Ihre Ehe zerbricht. Bei einer Beratungsstelle für seelische Gesundheit stellt ihr jemand eine Frage, die zum Schlüssel für sie wird: „Woher nimmst du die Kraft, hier zu sitzen und immer noch zu lächeln?“
„Du bist frei!“
In den letzten Jahren hat Silke Naun-Bates mehrere Bücher geschrieben. Der Schritt in die breite Öffentlichkeit war dabei nicht leicht. Bis 2014 gab es nur Bilder von ihr, auf denen man ihre fehlenden Beine nicht sehen konnte. Als sie einen Artikel über Schönheit schreibt, geht ihr Bild durch die ganze Welt. Sie rüstet sich innerlich und denkt bei sich: „Halte aus, was jetzt an Reaktionen kommt. Du musst schusssicher werden.“
„Du bist frei“ – Das ist die Botschaft, die sie immer, egal ob bei Vorträgen oder in ihren Büchern, mitgeben will. Was sie der achtjährigen Silke, die gerade den Unfall erlebt hat, heute sagen würde? „Das haben wir richtig geil gemacht!“