Wolfgang Niegelhell ist Gast von Marianne Hengl und Diana Foidl in „Stehaufmenschen“
Durch Musik wieder sehen
Ein Augeninfarkt im Alter von 26 Jahren hat Wolfgang Niegelhell innerhalb einer halben Stunde erblinden lassen. Der 58-jährige Steirer braucht lange, bis er in seinem neuen Leben ankommt. Wie ihm die Musik dabei hilft und ihn wieder sehen lässt, erzählt er in der Sendung "Stehaufmenschen", am Sonntag, den 8. September um 20.04 Uhr in Radio Tirol.
Die Sendung zum Nachhören:
„Wenn ich spiele, sehe ich vor meinem inneren Auge Farben, Bilder, die Natur, den Sternenhimmel. Das ist extrem in mir verankert“, schildert Wolfgang Niegelhell. Es sind Erinnerungen an ein anderes Leben. An ein Leben vor 32 Jahren, bevor plötzlich alles dunkel wird. Er ist gerade auf einem Spaziergang, als es passiert. Zuerst denkt er irrtümlicherweise , dass Wolken aufziehen.
Wie eine Welt zusammenbricht
An einen Augenblick später im Krankenhaus kann er sich noch genau erinnern: „Der Arzt hat zu mir gesagt: ‚Herr Niegelhell, ich möchte es nicht, aber ich muss es Ihnen sagen: Sie werden wahrscheinlich nie wieder sehen können.“
Für Wolfgang Niegelhell bricht eine Welt zusammen. Er möchte seinem Leben ein Ende setzen, flüchtet sich in den Alkohol und geht drei Jahre so gut wie gar nicht aus dem Haus. „Ich wollte eigentlich die ganze Zeit schlafen. Denn im Traum habe ich Bilder und Farben gesehen – wie früher.“ Irgendwann beschließt er aber doch, sein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Die Musik ist der Schlüssel dazu.
Vom Umwelt- und Abfallberater zum Musiker
„Die Zeit ist einfach überhaupt nicht vergangen. Man weiß plötzlich nicht mehr, wann Tag ist und wann Nacht. Irgendwann hab ich mich an ein Keyboard gesetzt und plötzlich waren sechs Stunden vorbei“, erinnert sich Niegelhell.
Erst später lernt er sich selbst die Panflöte und schöpft Kraft aus ihrem Klang. Mittlerweile lebt er davon. Er hat bereits mehrere Alben herausgebracht, ist schon beim Supertalent in Deutschland aufgetreten und spielt international Konzerte.
„Denke jeden Tag 20 Mal ans Sehen“
Berührungsängste vor blinden Menschen abzubauen – auch das ist ein Ziel von Wolfgang Niegelhell. In Schulen macht er gemeinsam mit seinem Blindenführhund Amando Aufklärungsarbeit. Niegelhell hat auch die Initiative „Augen auf Pfoten“ zugunsten der Errichtung einer Stiftung zur Finanzierung von Blindenführhunden gegründet. Denn die Finanzierung des Hilfsmittels „Blindenführhund“ ist extrem kostspielig und die Ausbildung langwierig.
Lange ist es her, dass Wolfgang Niegelhell sehen konnte. „Und trotzdem denke ich jeden Tag sicher 20 Mal daran, wie es war“, schildert er in der Sendung „Stehaufmenschen“. Dass es gelingen kann, sich an das frühere Leben zu erinnern und gleichzeitig die Chancen des neuen zu erkennen, zeigt der Musiker auf bewundernswerte Art und Weise.