Radio Tirol „Stehaufmenschen“ mit Martha Salchner

Sendungshinweis: „Stehaufmenschen“, Sonntag, 1.7.2018 - 20.00 Uhr, Radio Tirol.

Es war der 14. Februar 1988, als das Unfassbare geschah: Der Notarzthubschrauber Christophorus 1 stürzte nach einem Rettungseinsatz im Fotschertal beim Start ab. Der Notarzt und der Notfallsanitäter waren sofort tot, der Pilot und Bergretter Hans Salchner überlebten mit schwersten Verletzungen. Der Briefträger aus Axams, der sich auch an diesem Tag wie so oft bei der Bergrettung mit großem Einsatz engagierte, nahm nach Beendigung der Aktion den ersten von zwei geplanten Rückflügen, um schneller nach Hause zu kommen. Wenig später zerschellte die "Alouette III" aus ungeklärten Gründen am schneebedeckten Boden.

Dank seiner Frau Martha Salchner und seiner Familie kann Hans am Leben teilnehmen, auch wenn seine schwere Behinderung allgegenwärtig ist.

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Gemeinsam mit Rainer Perle wird Marianne Hengl „Menschen mit besonderen Herausforderungen“ interviewen: wie sie ihr Leben bewältigen, wie sie sich aus Tiefschlägen wieder aufgerichtet haben, wie sie die Höhen und Tiefen des Alltags bewältigen, was und wer ihnen dabei hilft, wie sie mit Hilflosigkeit umgehen, was sie stark macht und welche Botschaft sie den Zuhörern geben können.

Die gebürtige Oberösterreicherin kommt vor 40 Jahren nach Tirol und arbeitet an der Uni-Klinik in Innsbruck auf der Kinderstation. Bei einer Betriebsveranstaltung lernt Martha ihren Hans zum ersten Mal in der Fotsch im Sellraintal kennen. Er war dort der Hüttenwart, ein begeisterter Bergrettungsmann und ein extremer Kinderliebhaber. Und genau an diesem Ort sollte später auch der schicksalhafte Unfall passieren.

Nach einem schönen und romantischen Kennenlernen ziehen die beiden im Jahr 1985 in Axams in ihre erste gemeinsame Wohnung. Im darauffolgenden Jahr stirbt der Schwiegervater, die Säule der Familie und ein sehr lieb gewonnener Mensch von Martha. Im November kommt Lisa zur Welt, im Mai 1987 heiraten beide bei Pater Anton und geben sich das Versprechen, in guten wie in schlechten Zeiten zusammen zu halten. Heute sagt Martha, der tiefe Sinn dieser Worte wurde ihr in der Kirche wirklich bewusst.

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Dann kam der Tag, der alles veränderte. Es war Valentinstag im Jahr 1988 und Hans war überzeugt, dass an diesem Tag aufgrund der schlechten Schneeverhältnisse noch mit einem Einsatz zu rechnen war. Beim Sparziergang ereilte ihn der Notruf eines Lawinenabganges. Der letzte Moment, an dem Martha ihren Hans nochmals so sah, wie sie ihn lieben und kennen gelernt hat. Nach langen Stunden des Wartens dann um kurz nach Mitternacht die erschütternde Nachricht von einem Dorfpolizisten, dass der Hubschrauber ihres Mannes abgestürzt sei und der Mann in die Innsbrucker Klinik gebracht wurde. Es folgten die bangen Stunden auf der Intensivstation, wo Hans erst einmal von seinen 26 Grad Körpertemperatur aufgewärmt werden musste. Später erst erfährt Martha, dass der Notarzt und der Sanitäter, welche an diesem Tag noch im Hubschrauber saßen, tödlich verunglückt sind. Der Pilot überlebte ebenfalls.

Hans wird ins künstliche Koma versetzt, liegt dann lange Zeit im Wachkoma, kommt auf Reha. Der schwere Weg der kleinen Familie dauert ein Jahr, bis im Frühjahr 1989 Hans im Rollstuhl in eine neu umgebaute Wohnung einziehen kann. Die Folgeschäden vom Unfall sind unübersehbar und schrecklich. Durch den guten Zuspruch der Familie und die daraus resultierende Unterstützung hat Martha die Kraft, neben der Arbeit sich um die kleine Tochter und den schwer behinderten Mann zu kümmern.

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Auf die Frage von Martha, wie es dem Hans denn geht, antwortet dieser immer in Ruhe und in wohlwollendem Dasein: „Gut“. Er schmunzelt und der Schelm schaut ihm aus den Augen und das ist es, wofür es sich zu Leben lohnt. Was Martha schon vermisst, sind die schönen Erlebnisse mit ihrem Mann, die Gespräche, die Abende mit gemütlichem Tanz, das Hand in Hand spazieren gehen, all das, was glückliche Paare miteinander erleben dürfen.

Heute sagt Martha, das Leben bringt immer das, wofür man bestimmt ist. So trifft sie im Lauf der Zeit ihren Ex-Freund wieder und bekommt mit ihm gemeinsam einen Sohn. Die Beziehung währt nur für kurze Zeit. Sie sagt, sie wäre nie mit einem anderen Mann zusammengezogen, da Hans seinen Platz an ihrer Seite hat.
Die Menschen im Umfeld reagierten mit Ablehnung, sie wechselten die Straßenseite, doch Martha hatte nicht’s zu verbergen, sie freute sich auf ihr zweites Kind.

Dem nicht genug erkrankt Martha im Dezember 2011, kurz vor Weihnachten, an Brustkrebs. Die Diagnose, so schildert sie, zieht ihr den Boden unter den Füssen weg. Aber ihr positiver Wille und ihre Lebenseinstellung lassen sie auch diesen Schicksalsschlag mit Bravour überwinden, heute ist sie gesund und blickt auch auf diese Prüfung mit Anerkennung zurück. „Sie hatte den Sinn, dass ich mich auf mich besinne und auf meinen Körper, ich durfte mich nicht ganz vergessen!“

Mit Gott gehadert hat Martha nie, sie hat sich auch nie nach dem Warum gefragt. Diese Frage kann niemand beantworten und diese Frage kostet enorm viel Kraft. Der Glaube ist ihr wichtig, sie bittet Gott jeden Morgen um Gnade und dankt ihm am Abend für den Tag.
Sie betrachtet es als ihr größtes Glück, dass sie immer zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Menschen um sich hatte.

Und jetzt gerade freut sie sich auf ihren Hans um mit ihm auf den 31. Hochzeitstag anstoßen zu können!