Marianne Hengl trifft Dominic Thiem und seinen Freund Nico Langmann - via Skype - über den Dächern von Innsbruck

 Ein Gespräch über das Menschsein und was im Leben wirklich zählt.

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Dominik Thiem: Seit Nico zu uns ins Training kommt, hat sich der Kontakt intensiviert. Davor haben wir uns leider nur selten auf Turnieren gesehen oder ganz selten in der Südstadt. Jetzt sehen wir uns sehr oft. Mein Leben ist seitdem schöner geworden.

Nico Langmann: Ich muss sagen, als Sportler sind wir eh in einer Situation, in der wir uns derzeit gar nicht so wichtig nehmen dürfen. Durch die Corona-Krise sind Menschenleben gefährdet und es gibt so viele Leute, die auch existenziell davon abhängen und wir dürfen halt gerade nur nicht Ballspielen. 

Über den Dächern von Innsbruck sind wir eingetaucht ins Leben. Das Gespräch von RollOn Obfrau Marianne Hengl via Skype mit dem Tennisstar Dominic Thiem und seinem Freund Nico Langmann, der Nummer 1 im Rollstuhltennis, war sehr auf das Menschsein bezogen. 

 Wir drei 1

Unter dem Motto „Wenn Menschen an sich glauben“ moderierte Marianne Hengl bereits am 12. Dezember 2019 eine Veranstaltung in der Tiroler Sparkasse Innsbruck, anlässlich 30 Jahre RollOn Austria. Folgende Gäste hat sie dazu eingeladen: die Grand Dame des österreichischen Schauspiels Julia Gschnitzer, den europäischen Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl und den erfolgreichsten Sportler der österreichischen Olympia-Geschichte Felix Gottwald. Dieses Gespräch wurde dann am 18. April 2020 in ORF III ausgestrahlt – bitte klick.

Gerade in dieser herausfordernden und ungewissen Zeit geben „Botschaften von Persönlichkeiten“ den Menschen Hoffnung und Stärke, um diese angespannte Zeit, so gut es geht, durchzustehen.
Marianne Hengl holt immer wieder mutmachende Persönlichkeiten vor den Vorhang, die den Menschen aufzeigen, welche Kraft in uns Menschen steckt und welche Herausforderungen wir im Stande sind zu überwinden.
Sie ist zudem bereits seit 2012 Initiatorin der ORF III Fernsehsendung Gipfel-Sieg, die von Barbara Stöckl moderiert wird.

Nico Langmann ist Österreichs Nummer 1 im Rollstuhltennis. Er gewann sechs Turniere auf der internationalen Rollstuhltennis-Tour, zwei Junioren-Weltmeistertitel im Doppel und drei Staatsmeistertitel.
Nico Langmann ist nicht einmal 2 Jahre alt, als er sich bei einem Autounfall das Rückenmark verletzt. In einer Nacht im Februar 1999 krachen seine Mutter Gabi, sein älterer Bruder Alex und er beim Versuch einem verunfallten Auto auszuweichen in einen Bus.
„Dieser lähmende Schreck, der mir in diesem Moment in jede Faser meines Körper gefahren ist, den spüre ich immer noch physisch“, gesteht Nicos Mutter fast 20 Jahre später.
Schon als Knirps mit knapp acht Jahren wollte Nico Langmann mit dabei sein, als Papa und Bruder den Schläger schwangen. Im Rollstuhl hämmerte er die ersten Bälle über‘s Netz. Sein Freund Dominic Thiem ist sein größtes Vorbild, und dessen Vater Wolfgang Thiem ist der Trainer von Nico.

Mit einer Behinderung zu leben ist nichts Bewundernswertes – es ist ein ganz normales Leben. Wenn man Nico fragt: “Würdest du dir wünschen, gehen zu können?” wird er diese Frage mit einem klaren Nein beantworten.
Andere Menschen sehen das allerdings laut seiner Erfahrung oft anders. Sie stempeln einen ab, stecken dich in eine Kategorie – und zwar hauptsächlich Erwachsenen. Kinder haben da einen viel offeneren, lockereren Zugang und fragen interessiert nach. Wenn Nico dann erzählt, er hatte einen Autounfall, ist das für die meisten Kinder keine große Sache mehr, wohingegen es für viele Erwachsene schon unangenehm ist, dass ihre Kinder überhaupt so direkte Fragen stellen …
Hinzu kommt, dass auch im Fernsehen oder Medienberichten oftmals ein verzerrtes, einseitiges Bild von Menschen mit Behinderung dargestellt wird. Nicht selten wird extra auf die Tränendrüse gedrückt und Mitleid erzeugt.

Nico, wie kam es zur Zusammenarbeit mit Wolfgang Thiem?
Dominic und ich sind schon länger befreundet. Wir haben nebeneinander trainiert und 2017 ein Doppel gespielt. In Kitzbühel sind wir dann einmal gemeinsam mit Wolfgang beim Abendessen zusammengesessen und haben und allgemein über Tennis geplaudert. Ein paar Wochen später durfte ich dann ein Probetraining in der Südstadt absolvieren. Nach der Vormittagseinheit hat Wolfgang gesagt: Komm am Nachmittag nochmal. Am Ende dieser Einheit hieß es dann: Komm morgen wieder. Und seither darf ich immer wiederkommen (lacht).

Wie oft stehst du mit Dominic in Kontakt?
WIr sehen uns zwar nicht so viel, weil er natürlich viel unterwegs ist, schreiben aber oft. Was mir imponiert: Dominic ist ein Weltstar, aber total am Boden geblieben. Das zeigt zum Beispiel folgendes: Während des Turniers in Peking, das er gewonnen hat, hat er bei mir nachgefragt, wie es bei meinen Matches in Südafrika gelaufen ist. Das ist einfach eine tolle Freundschaft.

Dominic Thiem
"Der Dominic war von Anfang an dabei, als Baby saß er im Ballwagerl und hat eine Filzkugel nach der anderen rausgeworfen", erinnert sich Mama Karin Thiem. Im Alter von vier Jahren schnappte sich der Kleine dann erstmals selbst ein Racket, ließ das Sandkistenschauferl für immer fallen und umklammerte mit linker und rechter Hand gleichzeitig den leicht gepolsterten Schlägergriff. Erst mit zwölf, vergleichsweise spät für einen angehenden Profi, lernte er, die Rückhand einhändig zu spielen. Die Milieuprägung funktionierte dennoch. Und wie!

In 2019 gelang Thiem, der bis dato eher als Sandplatzspezialist galt, sein größter Triumph: er gewann auf Hartplatz seinen ersten Masters-Titel in Indian Wells und schlug dort Roger Federer im Finale. Hinzu kamen drei Titel bei den 500er-Events in Barcelona, Peking und Wien. Neben dem Triumph in Wien, konnte er bei der fünften Teilnahme beim Turnier in Kitzbühel auch dort endlich den Titel gewinnen und siegte so bei beiden Turnieren in seinem Heimatland in der selben Saison. Im Gegensatz zu den beiden Vorjahren lief es auch beim Jahresendturnier in London besser: erst im Finale konnte Thiem vom Finals-Debütanten Tsitsipas gestoppt werden. Auf dem Weg dorthin, konnte Thiem Siege gegen Roger Federer und Novak Djokovic verzeichnen. Bei den Australian Open im Jahr 2020 bewies Thiem dann endgültig, dass mit ihm nicht nur auf Sand zu rechnen ist. Obwohl es erneut nicht zum ersten Major-Titel reichte, schaffte der Österreicher es zum dritten Mal in ein Grand Slam-Finale und musste sich erst nach fünf Sätzen dem Australian Open-Rekordsieger Djokovic geschlagen geben. Dominic Thiem hat nun in der veröffentlichten Weltrangliste den dritten Platz eingenommen - und steht damit so hoch wie noch nie.

"Die Rio-Trophäe schenkte er seiner Oma. Meine Großeltern haben mich immer unterstützt."


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Die Moderation: Marianne Hengl, Obfrau von RollOn Austria:
„Bei meiner Geburt ist für meine Familie die Welt zusammengebrochen. Meine schwere Behinderung stand zuerst im Vordergrund und die Ängste von Mama und Papa, was meine Zukunft betrifft, waren nicht zu beschreiben. Die bedingungslose Liebe meiner Familie hat mich gestärkt im Glauben an mich selbst. Dadurch ist es mir gelungen die Welt für mich zu gewinnen.

Im Rahmen dieses Interviews darf ich mit Dominic Thiem & Nico Langmann über den „Glauben an sich selbst“ sprechen, freut sich Marianne Hengl.

„Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft.“ – Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (österreichische Schriftstellerin)